Dozentin Katja Breitling
Wir waren ein kleiner Kreis von 10 Leuten zum Märchenseminar in Bad Bevensen. Nach und nach trafen wir im Gustav Stresemann Institut ein. Wir kannten uns alle, was alles sehr viel vereinfachte.
Dieses Mal betraf es die Angehörigen. Leider waren nur drei Angehörige dabei, aber auch sieben Betroffene, die sich für die Belange der Angehörigen interessierten.
Um 18 Uhr gab es Abendbrot, danach trafen wir uns im Plenum. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die noch nie auf einem Märchenseminar waren, waren doch skeptisch. Ein Teilnehmer bemerkte sogar, er habe Angst, dass ihm das Märchen vom „Drei Nüsse für Aschenbrödel“ kaputt gemacht werde.
Wir starteten mit einem kleinen thematischen Einstieg. Die auf dem Boden liegenden Fische-Karten, lieferten das Stichwort „Kontrollverlust, wie fühle ich mich damit?" Es war sehr spannend, da ich eine Angehörige bin. Mein verstorbener Papa war ein Alkoholiker, was meine Kindheit geprägt hat.
Danach gab es eine Gruppenarbeit. Thema: Wer hat als Angehöriger ein Helfersyndrom bzw. Co-Abhängigkeit. Das betraf meine Kindheit, denn meine verstorbene Mama war co-abhängig.
Am Freitagabend folgte noch das Märchen "Rapunzel" mit kurzer Deutung -> Sucht heißt, dass das ganze Familiensystem betroffen ist und nicht nur der bzw. die Einzelne... Was macht die Sucht eines Elternteils -bei Rapunzel ist es die gierende schwangere Mutter, bei dem Kind der co-abhängige Suchtstoff beschaffende Vater- mit dem Kind? Beide, Rapunzel und das Kind machen die Erfahrung von Heimlichtuerei -Hinterhaus, Garten ummauert-, von Einsamkeit und Abgeschnittenheit -Turm im Wald-, aber auch von vorhandenen Fähigkeiten -Stimme zum Singen, zum Gehört werden-... langer Weg bis zur Erlösung und Heilung ...
Um 21.30 Uhr war Feierabend für Freitag.
Samstag nach dem Frühstück begann die Sitzung mit dem befürchteten Märchen Aschenputtel. Es war total interessant, es mit den Ohren eines Angehörigen zu hören. Aschenputtel wurde von der Stiefmutter und Stiefschwestern völlig unterdrückt. Sie lag und lebte in der schmutzigen Asche in der Küche und ließ sich alles von den bösen Stiefschwestern gefallen. Aber sie hatte Helferchen, die Tauben. Es war der symbolische Weg einer Angehörigen, die sich schmutzig fühlt, sich nicht vorstellen kann, dass sie auch mal im Glanz und in Schönheit wahrgenommen werden darf... langer Weg, immer wieder zurück ins Vertraute, in das Leid. Das Hinauswagen ins Gesehen werden ist vergleichbar mit dem Moment, wo der Schuh endlich passt und Aschenputtel das Haupt heben kann und dem Königssohn direkt in die Augen blicken darf, d.h. auf Augenhöhe sein kann mit einem Gegenüber... Die Teilnehmenden haben dazu eigene Märchenszenen gemalt, die besprochen wurden.
Samstagnachmittag wurde Rapunzel erneut aufgegriffen -> Übung zu zweit:
Zopf flechten = womit bin ich noch verflochten? und
entflechten=ent-wickeln (wie fühlt es sich an, sich von den alten Verflechtungen und Verletzungen zu lösen?
Danach noch Märchenerzählung „Die diebische Taube" mit ganz kurzer erster Deutung... Wie kann der Lösungsweg aussehen, raus aus alten Verletzungen hinein in Vergebung sich selbst und anderen gegenüber??? Dieses Märchen und das Thema Griffen wir Sonntag wieder auf und intensiv besprochen.
Kurze Übung für die reinen Angehörigen der Gruppe: In die Gruppe gehen und sich zeigen und jedem in die Augen blicken... Zweite Übung zu dem hawaiianischen Vergebungsritual Ho'oponopono und den dazugehörigen Sätzen...
Es folgten eine Austausch und die Abschlussrunde.
Auch die Skeptischen waren begeistert. Sie hätten nicht so viel erwartet.
Für mich war es eine Bereicherung.
Vielen Dank fürs Lesen
Petra Jaklitsch